eMTee, am 14. November 2912 auf dem Planeten ArcCorp (Stanton III) im Reichenviertel der Area 7 als Tochter sehr erfolgreicher Anwälte für interkulturelles Handelsrecht mit Diplomatieaufgaben geboren. 

 

Ihre Kindheit verbrachte sie behütet in Privatschulen und Internaten, wobei sie sich oft unterfordert und unverstanden fühlte und aus Langeweile und Unzufriedenheit oft Verstößen gegen die Schulordnung beging, was ihr Missgunst bei Lehrern und Mitschülern einbrachte. Ihre Eltern bekamen davon nur am Rande etwas mit, überhaupt sah sie sie nur selten, diese waren beruflich fast immer auf Reisen quer durch die Systeme.


 

Die Ferien verbrachte sie die meiste Zeit bei ihrer Großmutter Ilse, eine bodenständige, charismatische Frau, von der sie viel über Werte, Selbstvertrauen und das Leben an sich lernte. eMTee verbrachte als Jugendliche viel Zeit alleine, nachdenkend, unstetig, unwissend, was sie mit sich und ihrem Leben anfangen solle. Sie wusste, dass sie nie so werden wollte wie ihre Eltern, die denken, sie könnten mit Geld alles und alle, sogar die Liebe ihrer Tochter erkaufen.

 

 

Nach ihrem in der UEE üblichen „Äquivalenzabschluss“, nach dessen Erreichen sich der berufliche Werdegang entscheidet, trat sie im Dezember 2930 ohne Wissen ihrer Eltern dem Militär bei, obwohl diese sie bereits auf ArcCorps angesehenster Universität für ein Jurastudium mit pharmazeutischem Hintergrund angemeldet hatten. Nach der Militärischen Grundausbildung in der UEE-Army wurde sie für eine Verwendung im Sanitätsdienst vorgesehen, entsprechend ausgebildet und ins Ferron System versetzt, wo die Army den Abzug der Industrieanlagen und der Arbeiter von Ferron III materiell und sicherheitstechnisch unterstützte. Der Planet Asura (Ferron III) war ein einst boomender Planet mit vielen Lagerstätten an seltenen Erden, gehörte sogar zu den reichsten Kolonien der UEE.

Nach der völligen Ausbeutung der Ressourcen verloren die Konzerne schnell das Interesse an dem Planeten und zogen Arbeiter, Verwaltung, Maschinen und Geräte ab. Auch die UEE

verringerte nach und nach ihre Präsenz und gab einen Stützpunkt nach dem anderen auf. Der Planet stürzte in die Armut, die Oberfläche war durch Industrieverschmutzung großenteils unbewohnbar, in den Ruinen der einst blühenden Städte verblieben bald nur noch zwielichtige Gestalten, Glücksritter und

gescheiterte Existenzen.

 

In ihrer Zeit auf Asura lernte sie Tecia Pacheco kennen, die zu dieser Zeit ebenfalls dem Millitär angehörte und wie fast alle vor Ort im Rahmen des kontrollierten Abzugs eingesetzt war. Die beiden zogen oft nach Dienstschluss durch die Bars und Clubs, schnell verband sie eine enge Freundschaft und Tecia hatte allerlei Kontakte in die unterschiedlichsten Bereiche. So auch zu einigen Ex-Militärs, die nach dem

Auslaufen ihrer vertraglichen Dienstzeit beim auf Asura ansässigen privaten Sicherheitsdienst BlacJac angeheuert hatten. Über diese Bekannten kamen eMTee und Tecia dann schließlich zum Ende ihrer eigenen Dienstzeit zu einer Anstellung bei BlacJac, wo sie anfangs kleine Dealer hochnahmen und Drogenküchen in Wohnungen aushoben. Es ergab sich auch, dass aus der Freundschaft der beiden

mehr wurde, was für eMTee eine völlig neue und doch befreiende Erfahrung war, denn endlich konnte sie ihre Gefühlen deuten, ihnen nachgeben, freien Lauf lassen und sie ausleben, wo diese Gefühle doch vorher nur für Verwirrung, Scham- und Schuldgefühle gut waren. Im Laufe der Zeit bekamen sie brisantere Aufträge in den unterschiedlichsten Systemen, die nach und nach auch besser bezahlt wurden, sodass die beiden sich ein kleines finanzielles Polster aufbauen konnten.

 

Ein dramatischer Wendepunkt ereignete sich, als Tecia während eines Auftrags schwer verletzt wurde. Beide wurden immer mal wieder verwundet, bei Kämpfen, bei Schießereien oder Verfolgungsjagten, aber diesmal war es schlimmer. Dazu kam, dass sich die beiden Frauen oft mit Kollegen anlegten, die ihre Art des privaten Zusammenlebens verspotteten oder lächerlich machten. Die Betriebsleitung nahm das alles schließlich zum Anlass Tecia zu entlassen und eMTee nach dem darauffolgenden tätlichen Angriffs zum Nachteil mehrerer Verwaltungsbediensteter ebenso. Nun standen sie also vor dem Nichts, die Gehaltszahlung versiegte, aus der gemeinsamen Firmenwohnung mussten sie ausziehen und keine ordentliche Company würde sie jetzt einstellen.

 

Sie entschlossen sich, das zu tun, was sie konnten, auf eigene Rechnung, ihre Ausbildung, ihre Kontakte und ihr Insiderwissen zu nutzen. Das gleiche, wie all die Jahre zuvor auch, nur eben auf der anderen Seite des Gesetzes, Drogenlabore ausheben, Dealern die Lager leeren, Transporte kapern. Neu an dem Ganzen war es nur, den Stoff ab jetzt zu behalten und meistbietend an Kriminelle in anderen Systemen zu verkaufen.

Von ihrem Ersparten kauften sie sich eine gut erhaltene, ehemalige Piraten-Cutlass

und machten sich selbständig. Schnell erwarben sie sich den Ruf in der Branche, zuverlässig, diskret und skrupellos zu sein. Sie handelten mit allem, was Geld einbrachte, schmierten UEE-Kräfte und beseitigten lästige Konkurrenten. Sie machten ein Vermögen innerhalb kurzer Zeit. Tecia hatte sich in Area 18 auf ArcCorp (Stanton III) so etwas wie eine Firmenzentrale aufgebaut, eMTee machte die Flüge selbst oder war bei Großtransporten zumindest dabei. Sie lebte in ihrer Cutlass, wie in einem Wohnmobil, während Tecia inmitten von Hochhäusern auf ihrem Thron sitzend, mit Dienern, Personenschutz und sonstigen Schergen die große Herrscherin mimte.


Es missfiel eMTee, wie sehr sich ihre langjährige Gefährtin und Freundin verändert hatte, sie gerieten immer öfter in Streit, wenn sie sich denn einmal die Zeit für ein Treffen nehmen konnten, was zusehends seltener wurde. Sie hatten sich auseinander gelebt, sich entzweit und immer häufiger kam dieses Gefühl aus ihrer frühen Jugend wieder zurück, die Leere, das Nichtwissen, wie es mit dem Leben weitergehen soll, das Unstete.

 

Wahrscheinlich waren es genau diese Gedanken, die sie unkonzentriert sein ließen, als sie sich im April 2950 mit ihrer inzwischen arg reparaturbedürftigen Cutlass und einer Ladung Narcos auf dem Weg nach Tohil III befand, einem Treffpunkt und Handelsplatz für Schmuggler und Dealer mit Waren aller Art. Das Tohil System, das zwar offiziell unter der Herrschaft der UEE steht, aber tatsächlich fast gänzlich unreguliert ist. Der sicherste Weg dorthin, wenn man der UEE Security nicht begegnen will, führt unter anderem durch das neutrale Nyx System mit seinen zahlreichen Sprungpunkten. Und genau auf dem Weg zu einem Sprungpunkt musste sie durch den Glaciem Ring, einem Asteroidengürtel, dem in den annähernd 400 Jahren seit seiner Entdeckung schon einige Schiffe zu Opfer gefallen waren. Aber eMTee hatte die Route schon so oft abgeflogen, war -zig Male von dort gesprungen, hatte Kopfgeldjäger ausgetrickst und war Piraten entkommen, was soll passieren, dachte sie noch…

Vier Wochen später wachte sie in der Klinik in Levski auf, wo sie all die Zeit im Koma gelegen hatte. Die Ärzte hatten mehrmals diskutiert, ob sie nicht einfach die Lebenserhaltung abschalten und die Hirndaten der Frau auf einen Klon übertragen sollen. Aber es gab Komplikationen beim Versuch, die aktuellen Daten auszulesen. Mit Hilfe der Behörden hatten sie sogar versucht, ältere Kopien der Hirndaten oder Angehörige ausfindig zu machen, weil die Verletzte seit Wochen dringend benötigte Maschinen und Behandlungsplatz belegt. Aber es war so gut wie nichts aufzutreiben. Die einzigen lebenden Angehörigen waren nach Aktenlage die Eltern, die jedoch seit über zehn Jahren als verschollen gelten und die gefundene Kopie ihrer Persönlichkeitsdaten stammte noch aus der Militärzeit und war nahezu 20 Jahre alt. Also blieb nur die natürliche Art der Heilung mit etwas Unterstützung der vorhandenen Technik.

Als sie langsam wieder zu Sinnen kam und die Bilder ihres Lebens sich im Kopf wieder zu einem sinnvollen Film zusammenfügten, dachte sie nach, wie so oft, wenn sich die Einsamkeit wie eine kalte Bettdecke über sie legte, auf den endlos langen Flügen, in den schäbigen Unterkünften der Schmugglertreffs oder in ihrer Cutlass irgendwo im Nirgendwo, wenn sie einfach vor Müdigkeit nicht mehr weiterfliegen konnte, aber trotzdem stundenlang keinen Schlaf fand. Wo war die „geile Zeit“ hin, diese Unbekümmertheit, die Lebensfreude, die Liebe?

 

Sie dachte über Tecia und ihre Beziehung nach, die Veränderungen, die häufigen Streitereien, sie erkannte darin nicht mehr ihre Partnerin, weder im Leben, noch im Geschäft. Sie begriff, dass sich alles wiederholte, sie war wieder genau da, wo sie

vor fünf Jahren war, als sie bei BlacJac raus geflogen ist, ohne Job, ohne Schiff, ohne Heim und diesmal auch ohne den Halt des Partners. Tieftraurig schlief sie wieder ein.

Als sie Stunden später wach wurde, hörte sie Stimmen. Sie konnte nichts von dem Gesagten verstehen,

aber sie erkannte, dass es darin um sie ging. Die Tür öffnete sich und herein kam ein Polizist, sie erschrak. In Sekundenbruchteilen gingen ihr sämtliche Straftaten durch den Kopf, bis zur letzten Tour. Das Schiff bis zum Dach voll mit Drogen. Es endet also in der „Klescher-Rehabilitationseinrichtung“, von der sie schon so viele Schreckensgeschichten hörte, wie sie Kriminelle getroffen hat. Der Uniformierte dürfte etwa 10 Jahre älter sein als sie und stellte sich ihr freundlich als „Jean Jacques“ vor, Mitglied der „Weltraumpolizei“, einer privaten, paramilitärischen Organisation, die Kriminelle aufspürt und bestenfalls festnimmt oder tötet und die Kopfgelder kassiert. Er erzählte, dass er sie schwer verletzt neben dem Wrack ihrer ausgebrannten Cutlass treibend aufgefunden habe. Alles sei verbrannt oder bei der anschließenden Explosion zerstört worden, es gab vermutlich eine Kollision mit einem Asteroiden und sie wurde aus dem Schiff geschleudert, bevor der Quantumfuel im Tank umgesetzt hat. 

 

Er war nicht weit davon entfernt, als es passierte, erzählte er. Er war auf der Suche nach einem Schmugglerschiff, das mit großen Mengen einer Fracht unterwegs war, die in den meisten Systemen als höchst illegal eingestuft war. Er konnte nur im Nahbereich auf niedriger Stufe scannen, um die Schmuggler nicht zu warnen, als er ihre Signatur empfing. Kurz darauf bemerkte er die Explosion. Es schien wie ein Wunder, dass sie das alles überlebt hat, dazu kommt, hätte er sie ein paar Minuten später erst gefunden, sie wäre ohne Bewusstsein verblutet oder erstickt.

 

Eigentlich erwartete sie jetzt, dass er ihr nun Handfesseln anlegt, Meldung macht, das Kopfgeld kassiert und sie ins „Klescher“ wandert, sobald sie von den Ärzten als stabil eingestuft wird, aber nichts dergleichen. Im Gegenteil, der Polizist fragte noch freundlich, ob er etwas für die tun könne, Angehörige und so…? Sie war so perplex von der unerwarteten Wendung , dass sie ihn fast gebeten hätte, Tecia zu benachrichtigen. Rechtzeitig erkannte sie aber, dass sie sich damit fast verraten hätte und bat so lediglich um etwas Ruhe. Als der Uniformierte gegangen war, konnte sie es aber nicht zurückhalten und bat einen der Ärzte, Tecia eine eMail auf einem abhörsicheren Kanal zu senden und ihr die Umstände kurz mitzuteilen.

 

Als sie Monate später aus der Klinik und der Aufbaustation entlassen wurde, hatte sie immer noch nichts von Tecia gehört, obwohl sie täglich nachfragte. Nach einigen Tagen bereits hatte sie einen Entschluss gefasst, solle Madame doch auf ihrem Thron sitzen bleiben, während Sie die schlimmste Zeit ihres Lebens durch macht. Sie besaß nichts, den Raumanzug und den Undersuit hatten sie ihr in der Notaufnahme zerschnitten, alles andere war mit dem Schiff verbrannt. Sie hatte zwar eine Menge Geld aber alles Geld nutze ihr nichts, denn sie hatte kein MobiGlas, um sich was zu besorgen. Das einzige, was sie hatte, war eine Visitenkarte von dem Polizisten, falls ihr noch was einfalle… Also stand sie mit einem Krankenhausleibchen spärlich bekleidet an der Rezeption und versuchte ihn zu erreichen, es blieb ihr keine Wahl. Tatsächlich kam das Gespräch zustande und Jean Jacques traf bereits kurze Zeit später bei ihr ein mit einem Undersuit, der ihr zu ihrem Erstaunen sogar annähernd passte.

Er sagte, er könne sie gerne mitnehmen, da er sowieso kreuz und quer flog, könne sie aussteigen, wo sie wolle. Während der langen Flüge war es für beide schön, einen Gesprächspartner zu haben und so erzählten sie beide ein bisschen über sich. Bei dieser Gelegenheit erwähnte Jean Jacques, dass er eigentlich die Credits aus der Kopfgeldjagd nur brauche, um seinem Traum ein Stück näher zu kommen, einem eigenen Unternehmen, welches sich auf Mining und Trading ausrichtet. Sie mochte

ihn, hilfsbereit, gutmütig und gleichzeitig zielstrebig, fleißig und den großen Traum immer vor Augen. Sie wurde mit einem goldenen Löffel im Mund geboren und spuckte ihn aus, sie war rebellisch, lebte in den Tag hinein, ohne Plan, ohne Ziel. Sollte das immer so weitergehen?


Oder sollte sie sich von einem Typen, der einen Traum hat und weiß, was er will in eine gute Richtung mitziehen lassen? Wenn sie ihre Vergangenheit verschwieg, konnte sie von vorne anfangen. Sie dachte so lange

darüber nach, bis es auch ihr Traum war.

 

Dieser Traum sollte schon kurz darauf, im Oktober 2950 wahr werden. eMTee und Jean-Jacques gründeten zusammen ihr Unternehmen mit dem Namen SHAY – Space Holding Agency.

 

Der Rest ist Geschichte...

(nach einer Idee geschrieben von Stoeker)